2008-08-28 16:06:09

Simbabwe: Zeit der Wahrheit


RealAudioMP3 In Simbabwe zeichnet sich ein endgültiges Scheitern der Verhandlungen über eine Machtaufteilung ab. Präsident Robert Mugabe will eine neue Regierung bilden, ohne das Ende der Verhandlungen mit der Oppositionspartei abzuwarten. Der in Harare lebende deutsche Jesuitenpater Oskar Wermter forderte indes eine neue Verfassung für Simbabwe, begleitet von einem offenen und freien Dialogprozess. Politisch-soziale Bildung für die Menschen in Simbabwe sei jetzt dringend notwendig, sagte Wermter gegenüber dem Hilfswerk „Kirche in Not“.
„Die Menschen müssen mehr mit der christlichen Soziallehre vertraut gemacht werden. Simbabwe benötigt eine neue Verfassung, die von den Bürgern selbst geschaffen werden muss. Vor deren Verabschiedung muss offen über die möglichen Regelungen diskutiert werden. Mugabe hat am Parlament vorbei regiert. Für die Zukunft benötigt Simbabwe eine klare Gewaltentrennung. Es muss ein neuer Verfassungsstaat aufgebaut werden. Und die katholische Kirche muss auch hier tätig werden und auf die Einhaltung der Menschenrechte drängen.“
Das vergangene Kabinett sei „das schlechteste der Geschichte“ des Landes gewesen, sagte Mugabe gegenüber der staatlichen Tageszeitung „Herald“. Diesmal wolle er „echte Manager“ in die Regierung bringen. Bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments vergangenen Dienstag war Mugabe ausgebuht worden.
Wermter, der seit 1971 ununterbrochen in Simbabwe tätig ist, sieht die Zeit „für kompromisslose prophetische Rede" in dem Land gekommen.
„Meiner Meinung nach muss der Führung in diesem Land klar gemacht werden, dass sie die Bevölkerung in Stich gelassen hat. In Simbabwe wurden zwei falsche Götter angebetet, nämlich Macht und Reichtum. Es braucht eine Kehrtwende. Die Regierenden wollten keine Kritik und keine Wahrheit hören. Viele Menschen wurden an der eigenen Regierungspropaganda trunken gemacht. Sie haben in der Lüge gelebt. Mit einer undiplomatischen Rücksichtslosigkeit muss nun die Wahrheit gesagt werden. Heute ist es zu spät, nur leisezutreten und diplomatisch zu sein.“
 
Die Verhandlungen über eine Machtteilung zwischen der Bewegung für einen demokratischen Wandel (MDC) und Mugabes ZANU-PF waren vor zwei Wochen ohne Einigung abgebrochen worden. Allerdings stellte eine MDC-Splittergruppe in Aussicht, ein Regierungsbündnis mit der Mugabe-Partei einzugehen.

Die Kirchen haben die jüngste Präsidentenwahl als manipuliert verurteilt,
„... und von Seiten der Regierung wurde dieser Vorwurf ziemlich ignoriert. Indirekt haben die Kirchen erklärt, Mugabe sei kein legitimer Präsident. Die katholische Bischofskonferenz hat an Ostern 2007 in sehr deutlicher Form die Regierung in einem Hirtenwort scharf kritisiert. Die Führungs-Elite hat sich in den vergangenen Jahren enorm bereichert und hatte dabei nur das eigene Wohlergehen im Auge. Sie glauben, weil sie damals die Unabhängigkeit erkämpft haben, hätten sie auf ewig das Recht zu regieren. Die breite Bevölkerung wurde dabei vernachlässigt. Heute kämpfen die Menschen um dieselben Rechte, wie vor dreißig Jahren im Krieg. Die fundamentale Kritik der Kirche am Regime wurde entrüstet zurückgewiesen. Mugabe war entsetzt und versucht, die Kirche auf seine Seite zu ziehen. Nach außen mimt er den frommen Katholiken.“
Auf bestimmten Ebenen müssten Kirche und Regierung jedoch zusammenarbeiten, mahnt der Jesuit.
„Wir haben nämlich auch gemeinsame Interessen, etwa im Bereich Erziehung und Gesundheitswesen. Die katholische Kirche hat mehr als 120 Schulen, außerdem über fünfzig sehr wichtige Krankenhäuser auf dem Land. Deswegen ist ein Mindestmaß an Kontakt notwendig. Weiterhin gilt aber: Wir müssen deutlich sprechen. Es gibt Hunger und Durst nach Wahrheit in einem Land, das so lange lügnerischer Propaganda ausgesetzt worden ist.

 
Gewalt gehört auch nach den Regierungsverhandlungen weiterhin zum Alltag. Wermter berichtet von Schlägertrupps der Regierungspartei, die vor allem auf dem Land ihr Unwesen treiben. Die Mehrheit der Bevölkerung wünsche sich eine andere Regierung, da sie das Land in den wirtschaftlich in den Ruin getrieben hat, und die Regierung habe Angst, die Macht zu verlieren, berichtet Wermter. Er habe Familien besucht, die von der Polizei attackiert worden sind. Unmschenschliche Dinge geschähen und wiederholten sich ständig.
Im Zeitraum der Wahlen zogen Schlägertrupps auch durch die Städte, Oskar Wermter verließ vorübergehend seine Pfarrei in der Hauptstadt Harare.
„Das waren junge Arbeitslose, die keine hohe Bildung haben. Sie wollten den Feinden der Regierungspartei und den Unterstützern der Opposition das Fürchten lehren. Da war auch ich bedroht, weswegen ich mich für drei Wochen aus meiner Pfarrei zurückziehen musste. Passiert ist mir nichts, ich kann weiterhin meiner Arbeit nachgehen, aber ich bin natürlich bei den entsprechenden Dienststellen bekannt.“

Der frühere Bischof Pius Ngube war einer der schärfsten öffentlichen Kritiker von Diktator Mugabe. Jetzt ist die Kirche in Simbabwe gespalten.
„Bei den jüngsten Ereignissen haben Katholiken auf beiden Seiten gekämpft. Natürlich haben die Parteien auf die Menschen Einfluss. Aus diesem Grund ist die Kirche verstärkt gefordert, die Menschen zu versöhnen. Wir bereiten uns schon jetzt darauf vor. Dabei ist es wichtig, die Fakten zu notieren und Informationen zu den Geschehnissen in diesen Wochen zu sammeln. Wir müssen für den Tag gerüstet sein, an dem wir mit den Menschen sachlich über die Ereignisse sprechen können.“


Mehr als drei Millionen Menschen haben Simbabwe schon verlassen, viele in Richtung Südafrika - aus politischen Gründen oder auf der Suche nach Arbeit und Lebensmitteln.
Zum Teil sind hoch qualifizierte Leute aus dem Land geflohen, die ihre Familien durch Zuwendungen unterstützen. Unter den Flüchtlingen befinden sich auch ganz einfache Menschen, die im Ausland arbeitslos sind. In den Flüchtlingslagern haben wir es oft mit HIV-Infektionen, sexuellen Übergriffen und menschlichem Notstand zu tun. Die Kirche hilft, so gut es geht. Auch wir Jesuiten sind hier tätig. Manchmal wissen wir gar nicht, wie wir mit der Situation fertig werden sollen.“
Südafrika könnte enormen Druck auf die Regierung Mugabes ausüben, wenn es wollte, so Wermter, doch der Präsident fahre derzeit einen eher weichen Kurs. In der Vergagenheit habe Südafrika durchaus Druck ausgeübt. Simbabwe ist als Binnenland sehr stark von Südafrika abhängig, bezieht von dort etwa seinen Strom, Handel geht über und durch Südafrika. Das Land hat eine Schlüsselstellung, sagt Wermter. Westlichen Staaten erkennt der 66-jährige Jesuit wenig Einfluss zu. Simbabwe sei ein afrikanisches Problem.
„Die so genannte „Erste Welt“ kann nur indirekt diplomatischen Einfluss über andere afrikanische Länder ausüben. Wegen der Kolonialzeit wird es auch heute noch übel genommen, wenn von außen Druck ausgeübt wird. Es wäre wesentlich besser, wenn die afrikanischen Länder eine klare Linie einschlagen und erklären würden, dass sie mit den Machenschaften Mugabes nicht einverstanden sind. Sie müssen Mugabe unter Druck zu setzen, um Recht und Gesetz wieder Geltung zu verschaffen.“

Das Gespräch mit dem Jesuitenpater Oskar Wermter führte „Kirche in Not“, das weltweit tätige katholische Hilfswerk.


(kirche in not/rv/misna 28.08.2008 bp)







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