In Simbabwe zeichnet
sich ein endgültiges Scheitern der Verhandlungen über eine Machtaufteilung ab. Präsident
Robert Mugabe will eine neue Regierung bilden, ohne das Ende der Verhandlungen mit
der Oppositionspartei abzuwarten. Der in Harare lebende deutsche Jesuitenpater Oskar
Wermter forderte indes eine neue Verfassung für Simbabwe, begleitet von einem offenen
und freien Dialogprozess. Politisch-soziale Bildung für die Menschen in Simbabwe sei
jetzt dringend notwendig, sagte Wermter gegenüber dem Hilfswerk „Kirche in Not“. „Die
Menschen müssen mehr mit der christlichen Soziallehre vertraut gemacht werden. Simbabwe
benötigt eine neue Verfassung, die von den Bürgern selbst geschaffen werden muss.
Vor deren Verabschiedung muss offen über die möglichen Regelungen diskutiert werden.
Mugabe hat am Parlament vorbei regiert. Für die Zukunft benötigt Simbabwe eine klare
Gewaltentrennung. Es muss ein neuer Verfassungsstaat aufgebaut werden. Und die katholische
Kirche muss auch hier tätig werden und auf die Einhaltung der Menschenrechte drängen.“ Das
vergangene Kabinett sei „das schlechteste der Geschichte“ des Landes gewesen, sagte
Mugabe gegenüber der staatlichen Tageszeitung „Herald“. Diesmal wolle er „echte Manager“
in die Regierung bringen. Bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments vergangenen
Dienstag war Mugabe ausgebuht worden. Wermter, der seit 1971 ununterbrochen in
Simbabwe tätig ist, sieht die Zeit „für kompromisslose prophetische Rede" in dem Land
gekommen. „Meiner Meinung nach muss der Führung in diesem Land klar gemacht
werden, dass sie die Bevölkerung in Stich gelassen hat. In Simbabwe wurden zwei falsche
Götter angebetet, nämlich Macht und Reichtum. Es braucht eine Kehrtwende. Die Regierenden
wollten keine Kritik und keine Wahrheit hören. Viele Menschen wurden an der eigenen
Regierungspropaganda trunken gemacht. Sie haben in der Lüge gelebt. Mit einer undiplomatischen
Rücksichtslosigkeit muss nun die Wahrheit gesagt werden. Heute ist es zu spät, nur
leisezutreten und diplomatisch zu sein.“ Die Verhandlungen über
eine Machtteilung zwischen der Bewegung für einen demokratischen Wandel (MDC) und
Mugabes ZANU-PF waren vor zwei Wochen ohne Einigung abgebrochen worden. Allerdings
stellte eine MDC-Splittergruppe in Aussicht, ein Regierungsbündnis mit der Mugabe-Partei
einzugehen.
Die Kirchen haben die jüngste Präsidentenwahl als manipuliert verurteilt, „...
und von Seiten der Regierung wurde dieser Vorwurf ziemlich ignoriert. Indirekt haben
die Kirchen erklärt, Mugabe sei kein legitimer Präsident. Die katholische Bischofskonferenz
hat an Ostern 2007 in sehr deutlicher Form die Regierung in einem Hirtenwort scharf
kritisiert. Die Führungs-Elite hat sich in den vergangenen Jahren enorm bereichert
und hatte dabei nur das eigene Wohlergehen im Auge. Sie glauben, weil sie damals die
Unabhängigkeit erkämpft haben, hätten sie auf ewig das Recht zu regieren. Die breite
Bevölkerung wurde dabei vernachlässigt. Heute kämpfen die Menschen um dieselben Rechte,
wie vor dreißig Jahren im Krieg. Die fundamentale Kritik der Kirche am Regime wurde
entrüstet zurückgewiesen. Mugabe war entsetzt und versucht, die Kirche auf seine Seite
zu ziehen. Nach außen mimt er den frommen Katholiken.“ Auf bestimmten Ebenen
müssten Kirche und Regierung jedoch zusammenarbeiten, mahnt der Jesuit. „Wir
haben nämlich auch gemeinsame Interessen, etwa im Bereich Erziehung und Gesundheitswesen.
Die katholische Kirche hat mehr als 120 Schulen, außerdem über fünfzig sehr wichtige
Krankenhäuser auf dem Land. Deswegen ist ein Mindestmaß an Kontakt notwendig. Weiterhin
gilt aber: Wir müssen deutlich sprechen. Es gibt Hunger und Durst nach Wahrheit in
einem Land, das so lange lügnerischer Propaganda ausgesetzt worden ist.
Gewalt
gehört auch nach den Regierungsverhandlungen weiterhin zum Alltag. Wermter berichtet
von Schlägertrupps der Regierungspartei, die vor allem auf dem Land ihr Unwesen treiben.
Die Mehrheit der Bevölkerung wünsche sich eine andere Regierung, da sie das Land in
den wirtschaftlich in den Ruin getrieben hat, und die Regierung habe Angst, die Macht
zu verlieren, berichtet Wermter. Er habe Familien besucht, die von der Polizei attackiert
worden sind. Unmschenschliche Dinge geschähen und wiederholten sich ständig. Im
Zeitraum der Wahlen zogen Schlägertrupps auch durch die Städte, Oskar Wermter verließ
vorübergehend seine Pfarrei in der Hauptstadt Harare. „Das waren junge Arbeitslose,
die keine hohe Bildung haben. Sie wollten den Feinden der Regierungspartei und den
Unterstützern der Opposition das Fürchten lehren. Da war auch ich bedroht, weswegen
ich mich für drei Wochen aus meiner Pfarrei zurückziehen musste. Passiert ist mir
nichts, ich kann weiterhin meiner Arbeit nachgehen, aber ich bin natürlich bei den
entsprechenden Dienststellen bekannt.“
Der frühere Bischof Pius Ngube war
einer der schärfsten öffentlichen Kritiker von Diktator Mugabe. Jetzt ist die Kirche
in Simbabwe gespalten. „Bei den jüngsten Ereignissen haben Katholiken auf beiden
Seiten gekämpft. Natürlich haben die Parteien auf die Menschen Einfluss. Aus diesem
Grund ist die Kirche verstärkt gefordert, die Menschen zu versöhnen. Wir bereiten
uns schon jetzt darauf vor. Dabei ist es wichtig, die Fakten zu notieren und Informationen
zu den Geschehnissen in diesen Wochen zu sammeln. Wir müssen für den Tag gerüstet
sein, an dem wir mit den Menschen sachlich über die Ereignisse sprechen können.“
Mehr
als drei Millionen Menschen haben Simbabwe schon verlassen, viele in Richtung Südafrika
- aus politischen Gründen oder auf der Suche nach Arbeit und Lebensmitteln. „Zum
Teil sind hoch qualifizierte Leute aus dem Land geflohen, die ihre Familien durch
Zuwendungen unterstützen. Unter den Flüchtlingen befinden sich auch ganz einfache
Menschen, die im Ausland arbeitslos sind. In den Flüchtlingslagern haben wir es oft
mit HIV-Infektionen, sexuellen Übergriffen und menschlichem Notstand zu tun. Die Kirche
hilft, so gut es geht. Auch wir Jesuiten sind hier tätig. Manchmal wissen wir gar
nicht, wie wir mit der Situation fertig werden sollen.“ Südafrika könnte enormen
Druck auf die Regierung Mugabes ausüben, wenn es wollte, so Wermter, doch der Präsident
fahre derzeit einen eher weichen Kurs. In der Vergagenheit habe Südafrika durchaus
Druck ausgeübt. Simbabwe ist als Binnenland sehr stark von Südafrika abhängig, bezieht
von dort etwa seinen Strom, Handel geht über und durch Südafrika. Das Land hat eine
Schlüsselstellung, sagt Wermter. Westlichen Staaten erkennt der 66-jährige Jesuit
wenig Einfluss zu. Simbabwe sei ein afrikanisches Problem. „Die so genannte
„Erste Welt“ kann nur indirekt diplomatischen Einfluss über andere afrikanische Länder
ausüben. Wegen der Kolonialzeit wird es auch heute noch übel genommen, wenn von außen
Druck ausgeübt wird. Es wäre wesentlich besser, wenn die afrikanischen Länder eine
klare Linie einschlagen und erklären würden, dass sie mit den Machenschaften Mugabes
nicht einverstanden sind. Sie müssen Mugabe unter Druck zu setzen, um Recht und Gesetz
wieder Geltung zu verschaffen.“
Das Gespräch mit dem Jesuitenpater Oskar
Wermter führte „Kirche in Not“, das weltweit tätige katholische Hilfswerk.