2009-11-20 15:27:18

Frankreich: Eine Ortskirche im Niedergang?


Die Kirche in Frankreich sorgt sich um ihre Position im Vatikan. Darüber berichteten in letzter Zeit mehrere Medien wie das italienische „il foglio“ sowie aus Frankreich selbst „Le Monde“ und die katholische Tageszeitung „La Croix“. Nachdem die Kardinäle Roger Etchegaray und Paul Poupard aus Altersgründen ihre Ämter im Vatikan aufgegeben haben, leitet nur noch ein Franzose eine Kurienbehörde, nämlich Kardinal Jean-Louis Tauran vom Päpstlichen Dialograt. Vom traditionell starken französischen Einfluss im vatikanischen Staatssekretariat – mit Kardinal Jean-Marie Villot gab es bis 1979 noch einen vatikanischen Kardinalstaatssekretär, der der „Grande Nation“ entstammte – ist nur noch der korsische Erzbischof Dominique Mamberti übrig geblieben, der dort die Abteilung für die Beziehungen zu den Staaten leitet. Und dann ist da noch – so endete die Analyse der Tageszeitung „Le Monde“ – Jean-Louis Bruguès, Sekretär der Bildungskongregation.

Frankreichs Einflussschwund auf die Zentrale der Weltkirche spiegelt das Schwächeln der französischen Ortskirche insgesamt wider: Dramatische Überalterung von Priestern, starkes Sinken der Priesterzahl (auf hundert Neugeweihte kommen jedes Jahr 900 Priester, die sterben bzw. ihr Amt aufgeben), ein richtiggehender Absturz in der Zahl der Seminaristen (nur noch 500 im ganzen Land, einige Bistümer sind 2008 ganz ohne neue Priesteramtskandidaten geblieben). Vorbei sind die Glanzzeiten der 80er und 90er, als es noch die Achse Wojtyla-Lustiger (Jean-Marie Lustiger, früherer Erzbischof von Paris) gab, die auch zu einer Blütezeit an Priesterberufungen führte; heute hat Paris nur 50 Seminaristen. Auch die religiöse Praxis, vor allem der sonntägliche Kirchenbesuch, ist bei Frankreichs Katholiken eingebrochen. Nur vier Prozent gehen zumindest einmal im Monat zur Kirche. Kirchliche Gemeinschaften wie „Emmanuel“ oder die „Frères de Saint-Jean“ setzen dem noch Widerstand entgegen. Weitaus stärker sind hier allerdings traditionalistische Gruppen: Sie stellen schon heute etwa ein Drittel aller neuen Seminaristen (für Welt-, nicht Ordenspriester). Die innerkirchlichen Traditionalisten – damit sind also nicht die in Frankreich starken, schismatisch orientierten Lefebvre-Anhänger gemeint - verfügen über fast 390 Kirchen oder Kapellen in ganz Frankreich; das sind vier pro Bistum. Diese Zahlen muss man sich vor Augen halten, um zu verstehen, dass Frankreichs Bischöfe die vatikanischen Gespräche mit den Piusbrüdern ausgesprochen argwöhnisch beobachten.

(il foglio/la croix/le monde 20.11.2009 sk)









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