Der neue serbisch-orthodoxe Patriarch Irinej von Nis ist am Wochenende in Belgrad
in sein Amt eingeführt worden. Der 79-jährige war am Freitag zum neuen Oberhaupt der
serbischen Orthodoxen gewählt worden. Er tritt an die Stelle von Pavle I., der im
November mit 95 Jahren verstarb. Im Fokus der Amtsführung des neuen Kirchenoberhauptes
wird die Kosovo-Frage stehen. Das meint der Salzburger Kirchenhistoriker Dietmar Winkler.
Damit komme keine leichte Aufgabe auf „den Neuen“ zu. Der Ostkirchen-Experte wörtlich:
„Das
Kosovo ist serbisch-orthodoxes Zentralland, historisch gesehen. Auf der anderen Seite
ist es aber mehrheitlich von Albanern bewohnt. Das ist sicher ein wichtiger politischer
Knackpunkt für das kommende Patriarchat wie auch für alle folgenden Patriarchen der
serbischen Orthodoxie.“
Der zum Erliegen gekommene katholisch-orthodoxe
Dialog war auf Initiative von Patriarch Pavle I. im Jahr 2006 wieder aufgenommen worden.
Winkler:
„Der Dialog war ja abgebrochen worden aufgrund der Wiederzulassung
der Unierten nach dem Niedergang der Eisernen Vorhangs, und im Jahr 2006 ist dann
nach Belgrad eingeladen worden - dort hat die serbische Orthodoxie durch ihre Freundlichkeit
und Gastfreundschaft sehr dazu beigetragen, dass das orthodox-katholische Dialogunternehmen
ganz positiv gestartet ist. Das würde man sich jetzt natürlich auch in Fortsetzung
des Patriarchen Pavle vom neuen Patriarchen wünschen.“
Pavle I. sei „einer
der Großen der serbischen Orthodoxie“ gewesen, so Winkler. Trotz Unabhängigkeit des
Kosovo und damit dem Verlust des „historischen Kernlandes“, habe er sich „immer gegen
fundamentalistische Äußerungen“, etwa aus dem serbischen Klerus, gewehrt. Wird Irinej
von Nis also die Linie seines Vorgängers fortführen? Tihomir Popovic von der
serbisch-orthodoxen Nachrichtenagentur sok sieht im neuen Kirchenführer einen „Mann
des Dialogs“.
„Patriarch Irinej ist eine sehr aufgeschlossene Persönlichkeit
auch in ökumenischer Hinsicht. Er hat sich vor kurzer Zeit – am 18. Januar – positiv
geäußert zum Thema Papstbesuch in Serbien; er hat u.a. gesagt, er fände es begrüßenswert,
wenn der Papst im Jahr 2013 nach Serbien komme – zur Feier des Mailänder Edikts von
313. Und er hat wörtlich gesagt, dass das eine Möglichkeit wäre, über die Einheit
der Kirchen zu sprechen: Ohne den ersten Schritt gebe es auch nicht den letzten. Ein
Gedanke, den ich sehr schön fand – das zeugt von seiner Aufgeschlossenheit in dieser
Sache.“
Der neue Patriarch gilt als Mittelsmann zwischen der liberalen
und traditionellen Linie der Orthodoxie. Ein erheblicher Teil der Gläubigen der serbisch-orthodoxen
Kirche ist im nicht-serbischen Teil des früheren Jugoslawiens oder im weiteren Ausland
ansässig. Popovic:
„Der Patriarch ist in der Theorie der Primus inter pares:
Das heißt, er kann tonangebend wirken, aber er kann im Prinzip nicht soviel entscheiden
wie meinetwegen der Papst. Allerdings ist es so, dass eine starke Persönlichkeit auch
als Primus inter pares viel entscheiden kann und auch viel in die Wege leiten kann,
und ich hoffe, dass das bei Patriarch Irinej auch der Fall sein wird. Ich denke, seine
Richtung ist eine sehr lobenswerte und positive – auch für die Serben! Auch für das
Leben der Serben in den nicht vorwiegend serbisch und nicht vorwiegend orthodox geprägten
Gebieten wie Kroatien und Slowenien.“
Die FAZ sprach in einer Analyse vor
Kurzem der serbisch-orthodoxen Kirche einen starken Einfluss auf die innerserbische
Politik zu. Popovic dazu:
„Ich weiß, dass es in mehreren Analysen das Ergebnis
gab, dass die serbisch-orthodoxe Kirche die Institution mit dem höchsten Ansehen in
Serbien sei. Vor diesem Hintergrund muss man natürlich auch verstehen, dass diese
Institution mit dem höchsten Ansehen in der Bevölkerung auch erheblichen Einfluß haben
muss auf die Politik! Wie jetzt dieser Einfluß aussieht und über welche Wege er geht,
das ist natürlich eine ganz andere Frage... Aber ich denke, ein positiver und auch
kreativer Einfluß ist seit dem Fall des Kommunismus da – das ist ja auch ganz offensichtlich
und nicht etwa ein Geheimnis. Wir haben den Religionsunterricht wieder in den Schulen,
wir haben die Geistlichen wieder in allen wichtigen staatlichen und gesellschaftlichen
Institutionen – allerdings nicht nur die der serbisch-orthodoxen Kirche, sondern auch
die katholischen und die der anderen vier so genannten historischen Kirchen- und Religionsgemeinschaften
in Serbien!“