Kirchenrechtler aus dem Vatikan und deutschsprachigen Ländern haben in München kontrovers
über den Umgang mit Kirchenaustritten diskutiert. Kurienerzbischof Francesco Coccopalmerio
bezeichnete es als problematisch, wenn die Kirche einen Austritt, der nur gegenüber
dem Staat erklärt wird, ohne Prüfung der Intention des Austretenden anerkennt, sagte
er bei der am Mittwoch zu Ende gegangenen Fachtagung. Dies ist die gängige Praxis
in Deutschland, wonach der staatlich registrierte Kirchenaustritt automatisch auch
zur Exkommunikation führt. Mehrere Redner und Diskutanten bezeichneten die kirchenrechtliche
Debatte um die Austritte als „Spiel mit dem Feuer“ und warnten vor weitreichenden
Folgen für das Verhältnis von Staat und Kirche. Im Kern geht es um den Umgang mit
Kirchenmitgliedern, die keine Kirchensteuer mehr zahlen wollen und ihrer Kirche dennoch
weiter angehören möchten. Das Problem stellt sich vor allem in Deutschland, Österreich
und verschiedene Schweizer Kantone, wo Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuereinzug
durch eine enge Kooperation mit dem Staat geregelt sind. Zuletzt hatte ein vom emeritierten
Freiburger katholischen Kirchenrechtler Hartmut Zapp angestrengter Rechtsstreit
für Aufsehen gesorgt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erklärte am 4.
Mai den von Zapp angestrebten „teilweisen“ Kirchenaustritt für unzulässig und ließ
eine Revision nicht zu. Zapp hat angekündigt, sein Anliegen nun von Kirchengerichten
klären zu lassen. Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller sagte, er
stehe in der Frage in einem Briefwechsel mit Papst Benedikt XVI. Auch in der Glaubenskongregation,
der er angehört, werde das Thema kontrovers diskutiert. Die damit verbundene Infragestellung
des deutschen Staatskirchenrechts sei fahrlässig. Letztlich stecke dahinter ein „idealistischer
Kirchenbegriff“. Äußerungen aus dem Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte, dem Coccopalmerio
vorsteht, kritisierte der Bischof als „dogmatisch nicht stimmig“. Der Direktor des
in Bonn ansässigen Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Wolfgang
Rüfner, warnte davor, Kirchenaustritte aus rein steuerlichen Gründen zu dulden
oder nur mit milden Strafen zu belegen. Damit würde das Steuersystem insgesamt sabotiert.
Das Bundesverfassungsgericht würde diese Ungleichbehandlung von Kirchenmitgliedern
nicht hinnehmen. Schwere Verwerfungen im Verhältnis zur evangelischen Kirche wären
die Folge. Auch das kirchliche Arbeitsrecht wäre in weiten Teilen nicht mehr haltbar.
Wenn die Kirche ihre Mitgliedschaft nicht klar regelte, wäre sie, ähnlich wie derzeit
die Gemeinschaft der Muslime, kein geeigneter Partner mehr für den Staat, sagte Rüfner.
Er und der Bamberger Kirchenrechtler Alfred Hierold sprachen sich für eine
einvernehmliche Lösung mit Rom aus. Die deutschen Bischöfe sollten mit Blick auf eine
Zahlungsverweigerung der Kirchensteuer möglichst rasch ein Gesetz erlassen und sich
dafür die Erlaubnis des Papstes einholen. - Das Symposion „Der Kirchenaustritt im
kirchlichen und im staatlichen Recht“ wurde vom Klaus-Mörsdorf-Studium für Kanonistik
der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität veranstaltet. An der Tagung nahmen rund
150 Fachleute aus Deutschland, Österreich und dem Vatikan teil.