Der Groß-Imam der Al-Azhar Moschee in Kairo, Ahmad Al-Tayyeb, hat sich angesichts
des jüngsten Anschlags gegen koptische Christen nachdrücklich zur Religionsfreiheit
bekannt. „Ich glaube fest, dass die religiöse, ethische und kulturelle Freiheit ein
heiliges Gesetz ist”, sagte Al-Tayyeb in einem Interview mit der Mailänder Tageszeitung
„Corriere della Sera” (6. Januar). Gott habe dem Menschen die Freiheit gegeben,
nach seinem Gewissen zu entscheiden. Auch die Menschen dürften daher anderen Menschen
nicht eine Religion oder eine Lebensweise vorschreiben, sagte Al- Tayyeb. Der Imam
äußerte zudem die Hoffnung auf eine Botschaft von Papst Benedikt XVI. an die islamische
Welt. Eine Initiative, die das Vertrauen wiederherstellen und Ursachen für Missverständnisse
beseitigen könnte, “wäre sehr zu begrüßen”, sagte der führende sunnitische Theologe
Ägyptens. Auf diese Weise könnte der Weg zu einem “ernsthaften und wirkungsvollen
Dialog zwischen den orientalischen und den westlichen Gesellschaften” eröffnet werden,
der Sicherheit und Frieden in der Welt stärke. Al-Tayyeb nahm auch zu dem von ihm
erhobenen Vorwurf Stellung, Papst Benedikt XVI. habe in seiner Verurteilung des Anschlags
von Alexandria muslimische Opfer von Terror und Gewalt ignoriert. Er befürchte, dass
die Worte des Papstes in Ägypten und im Nahen Osten insgesamt “eine negative politische
Reaktion” hervorrufen könnten, sagte er. Die Terroranschläge in Ägypten richteten
sich nicht nur gegen Christen, sondern gegen die ganze Nation. Ihr Ziel sei es, das
Land zu destabilisieren und die nationale Einheit zu untergraben. Der Groß-Imam,
der auch Rektor der Al-Azhar Universität in Kairo ist, rief zu einer Vertiefung des
interreligiösen Gesprächs auf, um “Quellen von Vorurteilen und Missverständnissen”
zu beseitigen und das gegenseitige Verständnis zu fördern. “Unverzichtbare Voraussetzung”
für einen konstruktiven Dialog sei “der Respekt vor dem Anderen und dessen Recht auf
Verschiedenheit”. Die Christen im Nahen Osten bezeichnete er als “wesentlichen
Bestandteil der Gesellschaft” und “Quelle des Reichtums orientalischer Kultur und
der arabisch-islamischen Tradition”. Ihr Schutz und ihre Sicherheit seien durch die
Bürgerrechte garantiert. Es gebe eine lange Geschichte des Zusammenlebens zwischen
Muslimen und Christen, die gemäß der islamischen Tradition von Respekt vor dem Anderen
und der religiösen und kulturellen Verschiedenheit geprägt worden sei. (kipa 06.01.2011
gs)