Mit einem Fest vor
Notre Dame von Paris hat die neue Vatikanstiftung „Vorhof der Völker“ in der Nacht
auf Samstag den ersten Praxistest „in freier Wildbahn“ bestanden. In Zelten vor der
Kathedrale diskutierten Pariser aller Altersgruppen angeregt über Glauben und Nichtglauben
heute. Stefan Kempis berichtet.
Es war eine Atmosphäre wie auf einem Weltjugendtag:
Paddy Kelly heizte ein, Freiwillige verteilten Wasserflaschen und Brötchen, Ordensleute
strichen gesprächsbereit über den Vorplatz von Notre Dame. Viele Pariser und auch
Touristen waren wohl aus Neugier gekommen, standen im Schutz der Dunkelheit und sahen
dem Treiben zu, unter ihnen auch Jugendliche aus den Banlieues. Am Portal von Notre
Dame patrouillierten einige bewaffnete Soldaten – kleine Erinnerung daran, dass Frankreich
derzeit einen Krieg in Libyen führt. In vier großen weißen Party-Zelten am Rand des
Platzes gab es Gesprächskreise zu Themen wie Krankheit, Liebe oder Tod. Dass die Debatten
gleich in Fahrt kamen, dafür sorgten prominente Gäste, darunter ein Astro-Physiker,
ein Klostergründer und eine Skandalautorin.
Fünf Millionen Menschen besuchten
jedes Jahr den Vorplatz seiner Kathedrale, erzählte der Pariser Kardinal André Vingt-Trois
bei einem Podiumsgespräch. Und nicht zum ersten Mal nutzen die Katholiken der Hauptstadt
diesen so genannten „Parvis“ als Forum für Veranstaltungen. Auch wenn so etwas im
streng laizistischen Frankreich von vielen nicht gern gesehen wird. Wolfgang Sedlmeier,
der deutsche Pfarrer in Paris:
„Ich erlebe es so, dass der frühere Erzbischof
von Paris, Kardinal Lustiger, gesagt hat: Wir müssen in die Offensive und in die Öffentlichkeit
kommen, und damit angefangen hat, salopp gesagt diesen Vorhof von Notre Dame zu „bespielen“.
Das ist ein Zeichen, das sich in den letzten zwanzig oder 25 Jahren etabliert hat;
die Priesterweihe beginnt draußen, der Wortgottesdienst findet draußen statt vor Notre
Dame, um zu sagen: Hallo, wir feiern ein großes Fest! Und dann zieht man zum Weihegottesdienst
in die Kathedrale ein.“
Der Vorhof von Notre Dame ist also ein Ort, den
sich die Katholiken von Paris zur Selbstdarstellung erst einmal erobern mussten.
„Ich
finde, das ist anfangs ein sehr mutiges Zeichen gewesen, und jetzt ist das etwas,
das zeigt: Wir als Katholiken positionieren uns in dieser Gesellschaft, wir wollen
präsent sein und haben auch etwas zu sagen!“
In der Nacht von Freitag
auf Samstag wurde der Vorplatz von Notre Dame zu einem suggestiven Bild für das, was
der Vatikan mit seinem „Vorhof der Völker“ will: Menschen draußen ansprechen, sich
für sie interessieren, sie aber auch einladen, einmal die Tempelschwelle zu überschreiten.
Auf Großleinwänden lief ein Film über die Entstehung des Universums und des Lebens,
direkt danach erschien der Papst im Bild und hielt auf sehr sanfte Art eine Ansprache,
die offenbar bei schönstem römischem Sommerwetter aufgezeichnet war – ein seltsamer
Kontrast zum dunklen Parvis von Paris. Später rang auf der Leinwand ein moderner Hiob
mit dem Unbekannten Gott.
Wer sich der gotischen Kathedrale näherte, dem drückten
junge Helfer eine Kerze und einen Gesangzettel in die Hand. Das nur spärlich erleuchtete
Innere war voll von Menschen, viele saßen einfach auf dem Fußboden; vor dem Hauptaltar
Dutzende von brennenden Kerzen, und dazu die leisen Gesänge der Gemeinschaft von Taizé.
Nichts einfacher, als in dieser Nacht vom Vorhof der Völker aus direkt ins Heiligtum
hineinzuwandern.