Bundesministerin Schavan: „Theologie tut der Wissenschaft gut“
Was kann und was will
Theologie heute? Zu dieser Frage traf Bundesbildungsministerin Annette Schavan am
Mittwoch hier in Rom Professoren der Päpstlichen Universität Gregoriana zu einem Fachgespräch.
Man sprach über die Erziehung zur Kritikfähigkeit, zur Bedeutung von Studium für die
Persönlichkeitsbildung und über die Bedeutung der Theologie für ein multireligiöses
Europa. Theologie heute – das bedeutet in Europa heute aber vor allem auch islamische
Theologie. Zurückgehend auf eine Stellungnahme des Wissenschaftsrates der Bundesregierung
soll an vier Standorten Imamausbildung betrieben werden. Schavan würdigte diese Ausbildung
als „Motor der Modernisierung im Islam“. In den Medien wurde sie dazu in den letzten
Tagen aber auch mit den Worten zitiert, mit dieser Ausbildung von Imamen solle der
Islam europäisiert werden. Wäre das nicht eine Funktionalisierung von Religion und
würde das nicht die Trennung von Staat und Glaubensgemeinschaft schädigen?
„Das
genau darf der Staat nicht, sich einmischen im Sinne einer Aufgabenbestimmung. Das
Zitat stammt aus einem Zusammenhang, den ich etwa so sehe: auch aus unserer Erfahrung
mit christlicher Theologie wissen wir, wie stark Theologie zur Klärung und Aufklärung
in Beziehung zu Religion beiträgt. Deswegen braucht jede Religion Theologie. Der Begriff
der Europäisierung ist eigentlich eher so gemeint: Da, wo in Europa Theologie im Kontext
des Islam betrieben werden kann, wird es auch gut sein, für die Verbindung des Islam
heute zu seiner eigenen Tradition. Oder anders gesagt: es wird sich positiv auswirken
können für das, was wir Inkulturation nennen.“
Ist das die Hoffnung einer
Ministerin oder die Erwartungshaltung des Bundes an den Islam?
„Das ist
eine Hoffnung, von der ich aus vielen Gesprächen mit muslimischen Theologen, aber
auch mit sonstigen jungen Intellektuellen weiß, dass sie sich das wünschen: eine Möglichkeit
der Entwicklung über die Theologie. Der Staat bestimmt das nicht, der Staat schafft
Rahmenbedingungen – Fachbereiche – in denen Entwicklung möglich ist.“
Der
Blick auf die Theologie muss auch ein Blick auf den jüngsten Streit einschließen.
Das einzige, was in der Öffentlichkeit im Augenblick von katholischer Theologie wahrgenommen
wird, ist der Konflikt. Annette Schavan ist selber Theologin, sie ist Mitglied im
Zentralkomitee der deutschen Katholiken und als Ministerin auf dem Gebiet der Wissenschaft
tätig. Wie sieht sie das Theologenmemorandum?
„Dieses Memorandum der Theologen
habe ich verstanden als einen Impuls ‚Lasst uns reden!’, über Weiterentwicklung der
Kirche. Lasst uns reden über das, was wir in Deutschland glauben festzustellen: Es
passt exakt in das, was in Deutschland jetzt als Dialogprozess über die nächsten Jahre
beginnt, ein Aufruf zur Selbstvergewisserung.“
Über einen innerkirchlichen
Dialog hinaus: Welche Rolle wird Ihrer Meinung nach Theologie in den nächsten Jahren
spielen?
„Theologie leistet einen wesentlichen Beitrag zur Klärung, zur
Aufklärung; deutlich zu machen, wie stark das aufklärerische Potenzial des Christentum
ist. Sie hilft, deutlich zu machen, dass Glaube nicht nur geglaubt werden will, sondern
auch gedacht werden. Das Verhältnis von Glaube und Vernunft ist eine der Grundfragen
schlechthin, und ich glaube, in der Universität des 21. Jahrhunderts wird Theologie
auch immer mehr als Orientierungswissenschaft gefragt sein. Theologische Kompetenz
wird in vielen anderen Berufen gefragt sein, und das Angebot des Studiums könnte wunderbar
weiterentwickelt werden auf diese anderen Berufsfelder und Kompetenzbereiche und damit
weit über Kirche hinaus ausstrahlen.“
Das Gespräch über Theologie war aber
nicht der einzige Grund für den Besuch der Ministerin: Nach der Generalaudienz am
Mittwoch traf Schavan in Privataudienz den Papst, was ungewöhnlich für Minister ist.
Der Papst zeige eine „starke innere Beschäftigung“ mit seiner geplanten Deutschlandreise.
„Ich
habe dem Papst gesagt, dass, wenn er nach Berlin kommt, er nicht in eine gottlose
Stadt kommt, vielmehr in eine Stadt, in der es viele Menschen gibt, die Gott suchen.
Das ist dann nicht immer katholisch, aber deutliche Zeichen der Suche nach Orientierung,
der Suche nach Antwort auf die Frage nach Gott. Ich habe ihm Berlin geschildert als
eine dynamische und interessierte Stadt, und ich bin auf davon überzeugt, dass das
ein großes Ereignis für Deutschland wird.“