2011-08-20 18:15:32

Deutschland: Kreuz und Thora in mystischer Deutung


RealAudioMP3 Ein Stuttgarter Theologe ist aktuell ein gefragter Referent im Rahmen des christlich-jüdischen Dialogs. „Kreuz und Thora in mystischer Deutung“ ist der Titel des neuen Buches von Klaus Hälbig. Michael Hermann hat mit dem Theologen gesprochen:

Aus Genesis Kapitel 2: „Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. Gott, der Herr, ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse.“

Der Baum der Erkenntnis und der Baum des Lebens – zwei Bäume, deren mystische Bedeutung immer noch etwas unklar ist. „The tree of life“ ist dabei ein häufiges Thema in Literatur und Kunst. Gerade aktuell gibt der Baum des Lebens einem beim Festival in Cannes viel beachteten Film von Terence Malick den Namen. Das werk geht der Quelle und der Essenz des menschlichen Daseins in Bildern einer Kindheit der 1950er Jahren nach.

Klaus Hälbig, im Hauptberuf Theologe in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, ist fasziniert von der Symbolik der beiden Bäume, hat sich intensiv mit ihnen beschäftigt und seine Erkenntnisse nun in Buchform veröffentlicht. Schon früh habe man den Baum des Lebens mit dem aus Holz gefertigten Kreuz in Verbindung gebracht, sagt Hälbig:

„Von daher hat man dann im Mittelalter Darstellungen des Baumes des Lebens mit einem Kreuz oder einem Kruzifix darin, das zugleich die Frucht des Baumes des Lebens mit der Eucharistie identifiziert, was eine Frucht des Kreuzbaumes ist. Die Eucharistie ist das Essen, welches das Sündenfall-Essen vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse wieder umkehrt und rückgängig macht. Und dieses Sündenfall-Essen hängt mit dem Baum des Lebens zusammen. Also beide Bäume stehen in der Mitte des Gartens, bilden einen Gegensatz, und die Gegensätzlichkeit ist hoch interessant und als ganzes Heilsgeschehen zu verstehen.“

Auf knapp 400 Seiten analysiert Hälbig die Symbolik des Baumes des Lebens. Und dabei kommt er zu überraschenden Ergebnissen. Der Baum des Lebens sowie das Kreuz einerseits und die jüdische Thora andererseits seien letztlich identisch. Die Thora ist die hebräische Bibel. Geschrieben in Buchstaben ohne Vokale, umfasst sie die fünf Bücher Mose. Der auf Tierhaut geschriebene Text ist auf zwei Stäben aufgewickelt. Und diese werden von den Juden als „Baum des Lebens“ bezeichnet.

„Normalerweise wird gesagt, Kreuz und Thora sind Gegensätze. Die passen überhaupt nicht zusammen. Es gibt eine Darstellung von Edith Stein in Rom in Sankt Peter, wo gezeigt wird, wie Edith Stein sowohl das Kreuz als auch die Thora umfängt und beides sehr wohl zusammengehört, jedenfalls aus ihrer subjektiven Perspektive. Aber ich wollte zeigen, dass sie auch objektiv zusammengehören, weil ja das Kreuz die Realisierung des Heilsplanes Gottes ist, das heißt die Realisierung seines Willens, wie er in der Thora offenbart ist. Das heißt: Kreuz und Thora als Offenbarung des Willens Gottes können sich nicht widersprechen, sondern müssen im letzten identisch sein. Und das habe ich versucht zu zeigen.“

Hälbigs Buch mit dem Titel „Kreuz und Thora in mystischer Deutung“ wird gerade in christlich-jüdischen Gesellschaften intensiv besprochen.

„Ich glaube, dass es ist für den christlich-jüdisch Dialog wichtig wäre zu erkennen, dass man das Kreuz ganz anders verstehen kann als es üblicher Weise der Fall ist, nämlich als Leidensinstrument, als Marterwerkzeug und dergleichen, sondern dass das Kreuz eine ganz andere Bedeutung hat von der Symbolik her, wenn es vom Baum des Lebens her verstanden wird, zumal die Thora selbst auch im Judentum als Baum des Lebens verstanden wird. Dann ergibt sich ja von vornherein schon mal eine große Nähe und Affinität.“

(rv 20.08.2011 mch)








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