Ein sofortiges Ende der Gewalt und ein Dialog über die legitimen Erwartungen der Bevölkerung
sind nach Einschätzung des Vatikans erste Voraussetzung für einen Frieden in Syrien.
Außerdem müsse die Einheit des Landes erhalten und eine Aufspaltung nach ethnischen
und religiösen Grenzen vermieden werden. Das betonte der Sekretär des vatikanischen
Dialogrates, Pater Miguel Angel Ayuso Guixot, am Wochenende bei einer Konferenz in
Istanbul über die jüngsten Entwicklungen in Nordafrika und Nahost. Weiter müsse Syrien
als Mitglied der Völkerfamilie den legitimen Erwartungen der internationalen Gemeinschaft
Rechnung tragen. Umgekehrt sollte sich die internationale Gemeinschaft ernsthaft für
einen Frieden in Syrien und der gesamten Region einsetzen.
Der Vatikan bemühe
sich, den teils widersprüchlichen Stimmen von katholischer Seite in der Konfliktsituation
Rechnung zu tragen und zugleich einen Ausweg aus der Spirale der Gewalt und dem diplomatischen
Stillstand zu finden, so Ayuso. Er könne die Sorgen der nahöstlichen Patriarchen nicht
ignorieren, die sich, "terrorisiert vom Schreckgespenst der Lage der Christen im Irak",
mehr oder weniger deutlich hinter das Assad-Regime stellen. Andere Geistliche, wie
der Jesuit Paolo Dall'Oglio nach seiner Ausweisung aus Syrien, hätten öffentlich Partei
für die Rebellen ergriffen.
Die Kirche sollte sich im Konflikt außerhalb der
Parteinpolitik halten - nicht aus Feigheit, sondern aus "Mut, eine Brücke zwischen
den verschiedenen Gemeinschaften zu bilden", so Ayuso. Er unterstrich die Legitimität
der Regierung in Damaskus, forderte zugleich aber auch, dass es die berechtigten Erwartungen
der Menschen berücksichtige und nicht als "Einfluss von außen" abtue.
In den
Ländern des "Arabischen Frühlings" muss nach Ansicht des zweiten Mannes im vatikanischen
Dialogrates eine "Kultur der Demokratie" gefördert werden. Und das brauche Zeit und
verlange Geduld. Es müssten demokratische Regierungen entstehen, die die Menschenrechte
achteten und die Religionsfreiheit förderten. Aus Marokko, Tunesien und Ägypten seien
nach den Sieg islamischer Parteien pragmatische und moderate Töne zu hören gewesen.
Allerdings hätten sich auch moderate Muslimführer skeptisch gegenüber der westlichen
Demokratie geäußert, die ihnen mitunter zu "atheistisch" erscheine.
Hier unterstütze
der Vatikan die Haltung der renommierten Kairoer Al-Azhar-Universität, die sich für
Demokratie, Menschenrechte und Kultfreiheit "im Rahmen der islamischen Tradition"
ausgesprochen habe. Diese Position sei der der Salafisten vorzuziehen, die "die Religion
instrumentalisiert, um Zwietracht innerhalb der arabischen Nationen" zu säen.