Der Göttinger Historiker Hartmut Lehmann übt Kritik an der evangelischen Theologin
Margot Käßmann. In ihrer Eigenschaft als Botschafterin des Rates der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum 2017 zeichne Käßmann ein
falsches Bild vom Reformator Martin Luther, schreibt Lehmann in einem Gastbeitrag
für die Zeit-Beilage Christ & Welt. Diese Darstellung könne sich auch negativ auf
das Verhältnis zur katholischen Kirche auswirken. Der Direktor am Max-Planck-Institut
für Geschichte in Göttingen nennt als Beispiele das Aufgreifen des angeblichen Thesenanschlages
und des Luther nur zugeschriebenen Zitates „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“
Historikern falle auf, dass es sich bei beidem um Material „aus dem Arsenal der Lutherlegenden“
handle, so Lehmann. Wer 2012 die Darstellung des Thesenanschlags undifferenziert übernehme,
„vergibt die Chance, das Gespräch mit der katholischen Kirche über eine weitere Annäherung
zu intensivieren.“ Es gehe nicht nur darum, „dass die Reformationsbotschafterin Ergebnisse
der Reformationsforschung ignoriert und sich stattdessen auf populäre Lutherlegenden
beruft“, betont Lehmann. „Ebenso bedenklich ist, dass sie bisher mit dem Verweis auf
polemisch-abgrenzende Projektionen Chancen vergibt, die im Interesse aller Christen
liegen.“