THEMEN DES TAGES:
Italien: Martini, streitbares Gespräch über das Leben
Der frühere Erzbischof von Mailand, Kardinal Carlo Maria Martini, ist in die Debatte über Bioethik eingestiegen. Die italienische Wochenzeitschrift "Espresso" veröffentlicht heute den Text einer Debatte Martinis mit einem namhaften italienischen Chirurgen. Martini, der von Haus aus Jesuit und Bibelwissenschaftler ist, wurde durch seinen Dialog mit anderen Religionen und mit Glaubenslosen bekannt; sein Briefwechsel mit Umberto Eco, der zum Bestseller wurde, trägt den Titel "Woran glaubt, der nicht glaubt?"
Die Tageszeitung "la Repubblica" bringt heute einige Auszüge aus dem Gespräch des 79-jährigen Kardinals mit Professor Ignazio Marino. Darin bekräftigt Martini die Gegnerschaft der Kirche zur Forschung an embryonalen Stammzellen und verweist auf ihren Einsatz für das werdende Leben. Er wisse allerdings, dass ständige Verbote und Neins "nichts bringen", so der Kardinal. Aufgabe der Kirche sei es daher, "die Gewissen so zu bilden", dass die Menschen "bei allen Gelegenheiten Gut von Böse unterscheiden können". Je nach Ausgangslage in konkreten Fällen wisse auch die Kirche, dass Dinge, die eigentlich nicht richtig sind, doch bei einer Abwägung als "kleineres Übel" erscheinen können. Das könne zum Beispiel angesichts der Aids-Gefahr für Kondome gelten. Ein Ehepartner, der mit Aids infiziert sei, habe die Pflicht, den nicht infizierten Partner vor Ansteckung zu schützen. "Die Frage ist allerdings", so Martini weiter, "ob es wirklich Aufgabe der Kirche sein soll, sich in bestimmten Fällen laut für ein solches Verhütungsmittel einzusetzen."
In Sachen Abtreibung begrüßt Martini allgemein, dass Staaten gesetzliche Regelungen vorgeben, um heimliche Abtreibungen auszuschließen; es dürfe allerdings keine "Lizenz zum Töten" geben. In die Reihe "Kleineres Übel" gehöre es auch, wenn der Staat eingefrorene Embryonen nicht zerstöre, sondern die daraus entstehenden Kinder zur Adoption freigebe - selbst wenn eine nicht verheiratete Frau dann ein solches Kind adoptiere. Martini wörtlich: "Wann immer es einen Wertekonflikt gibt, scheint es mir ethisch besser, eine Lösung vorzuschlagen, die einem Leben zur Entfaltung verhilft, anstatt es sterben zu lassen."
Die Äußerungen des Kardinals sind teilweise mutig; sie sind Teil eines Dialogs, den Kardinäle wie Tettamanzi oder Lozano Barragan immer mehr mit Biomedizinern aufnehmen. Was die Haltung des Vatikans betrifft, bleibt die Enzyklika "Evangelium vitae" von Papst Johannes Paul II. die wichtigste Lehräußerung auf diesem Gebiet. (repubblica/afp/rv)
Südafrika: Deutsche Bischöfe informieren sich über Aids
Südafrika ist eines der am schlimmsten von der Immunschwächekrankheit Aids betroffenen Länder. Fünf Millionen Menschen sind dort mit dem HI-Virus infiziert, täglich sterben 600 von ihnen an den Folgen von Aids. In Südafrika ist zur Zeit eine Delegation deutscher Bischöfe unterwegs, die sich über die Ausmaße der Seuche selbst ein Bild machen wollen. Unter ihnen der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, der uns erklärt, was Südafrikas Kirche für die Betroffenen tut. "Die Kirche stellt sich zusammen mit den Anglikanern, der Heilsarmee, den Baptisten, als einer der Hauptakteure da. Die Kirche ist beim Menschen, sie schafft Bewusstsein für diese wahnsinnige Bedrohung, sie hilft den Menschen, dass sie das nicht verschweigen müssen, wenn sie krank sind. Diese Krankheit muss aus dem Tabubereich heraustreten."
Aids hat allein in Südafrika die Eltern von 700.000 Kindern auf dem Gewissen. "Für die Waisenkinder gibt es Krankenhäuser, aber es scheint auch so zu sein, dass auf dem Land auch die Familienstrukturen noch einigermaßen funktionieren. Dass die Großmutter oder die Tante sich des Kindes annimmt. Wenn sie kirchliche Unterstützung durch die Homecare-Gruppen erhalten, ist das eine sehr wirksame Hilfe."
Das Elend zu sehen, das Aids auslöst, geht auch an den Bischöfen nicht spurlos vorbei. Muss die Kirche bei der Aids-Vorsorge umdenken?
"Das Umdenken betrifft, dass wir uns der Aids-Herausforderung stellen, und dass wir offen und ohne Menschen zu diskriminieren, ohne sie moralisch in eine Ecke zu stellen, sie als Menschen sehen, die Hilfe brauchen."
Es braucht, sagt Jaschke, eine ganzheitliche Aids-Hilfe. "Dazu gehören Finanzen, das Gesundheitswesen, dazu gehört auch die Prävention, die ein sehr langer Weg ist und für die keine Patentrezepte gibt." (domradio)
Deutschland: Theologe, "Bündnis für Erziehung" soll Deutschland ankurbeln
Die Familienministerin und die großen christlichen Kirchen machen gemeinsame Sache. Das stößt auf Kritik bei Juden und Moslems, bei Gewerkschaften und bei Politikern in der Koalition. Doch das "Bündnis für Erziehung" ist gestern gestartet und soll angesichts von Gewalt an Schulen und unsicheren Eltern den Kindern zu stabilen Werten verhelfen.
Alfred Biesinger, Theologe und Pädagoge in Tübingen, hat für das Bündnis ein Gutachten verfasst. Er sagt, nicht nur die deutsche Wirtschaft müsse angekurbelt werden. "Deutschland braucht Persönlichkeiten, die ethisch, solidarisch sind, die Konflikte lösen, ohne sich auf den Kopf zu schlagen. Und vor allem braucht Deutschland eine nachwachsende Generation, die in der Lage ist, sich auch an Regeln zu halten. Lässt man Kinder ohne Regeln aufwachsen, ohne dass sie auf Normen reagieren, führt das dazu, dass sie immer aggressiver werden, dass sie immer weniger ansprechbar sind auf friedliche Konfliktlösungen. Es ist auch für diese Menschen, wenn sie sich später in der Gesellschaft überhaupt nicht integrieren können, eine Katastrophe."
Die Kindertagesstätten sollen zu Eltern-Kind-Zentren werden, Eltern sollen mehr Hilfen bei der Erziehung bekommen. Ziel: Die Kinder sollen im Kindergarten nicht eine völlig andere Welt vorfinden als zu Hause. Die Kindergärten selbst, müssten mehr in die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher investieren, meint Biesinger, "und zwar nicht, weil sie im Augenblick schlecht ausgebildet wären, sondern es kommen einfach neue Aufgaben auf sie zu. Eine der ganz wichtigen Aufgaben ist die interreligiöse Kompetenz. Es sind muslimische Kinder in den Kindertagesstätten. Es kommt sehr darauf an, dass sie von klein auf gelernt haben, sich religiös zu verständigen, damit es nicht dazu kommt, dass später auch bei uns die Straßen brennen." (domradio/rv)
Sri Lanka: Auch Christen leiden unter Unruhen
Der Friedensgipfel für Sri Lanka steht offenbar vor dem Scheitern. Die tamilischen Rebellen haben ihre Friedensgespräche mit der Regierung vorerst beendet. Die in Genf angesetzten Verhandlungen sind deshalb – nach einer ersten Verschiebung am Wochenende – erneut abgesagt worden. Vor einigen Tagen waren mehrere Menschen bei Kämpfen rivalisierender Milizen ums Leben gekommen. Auch Christen leiden unter den Unruhen, so der Nuntius in Sri Lanka, Erzbischof Mario Zenari. "Viele Gemeinden beten und fasten für den Frieden und für die Versöhnung. Auch fühlen sich die Christen ermutigt durch die Solidarität des Heiligen Vaters, dem der Frieden in den verschiedenen Teilen der Welt am Herzen liegt, unter anderem auch in Sri Lanka. Sie geben die Hoffnung nicht auf – eines Tages wird Frieden sein. Jetzt ist es wichtig, die Gerechtigkeit, die Solidarität und die Brüderlichkeit zu fördern in Einheit mit den Geschwistern, die auf der ganzen Welt ähnliches Leid erfahren."
Die Rebellen wollen einen eigenen Staat für die 3,2 Millionen Tamilen auf Sri Lanka errichten, weil sie sich von der Mehrheit der Singhalesen unterdrückt fühlen. (rv)
DIE NACHRICHTEN:
Vatikan
Zwei Geburtstage und eine Premiere in vielerlei Hinsicht: Papst Benedikt XVI. wird heute Abend im römischen Konzerthaus "Auditorium – Parco della Musica" einem Konzert beiwohnen, das im Gedenken an den Gründungstag Roms - am 21. April 753 - stattfindet. Auf dem Programm stehen Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, darunter das "Ave Verum". Mozart, dessen Geburtstag sich eben zum 250. Mal jährte, gilt als Lieblingskomponist des Papstes. Aus Anlass des Konzertes wird Benedikt seinen fünftägigen Aufenthalt in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo beenden und am späten Nachmittag per Hubschrauber in den Vatikan kommen. Von dort startet er in der Limousine zum Konzerthaus im Norden Roms. Gemeinsam mit dem Kirchenoberhaupt werden auch Italiens scheidender Staatspräsident Ciampi und der römische Kardinal Camillo Ruini das Konzert des Orchesters der Nationalakademie Santa Cecilia unter Vladimir Jurowski hören. Als Solistin tritt Edita Gruberova auf. Roms Bürgermeister Walter Veltroni, der sich Ende Mai einer Kommunalwahl stellen muss, hatte zu dem Konzert eingeladen. (rv)
Europa
Deutschland
Papst Benedikt XVI. wird am 7. Juni im Vatikan die Ehrenbürgerwürde der Stadt Altötting entgegennehmen. Dazu reist eine Delegation aus dem oberbayerischen Wallfahrtsort nach Rom, wie der Altöttinger Bürgermeister Herbert Hofauer auf Anfrage der KNA bestätigte. Der Papst wird die Altöttinger im Anschluss an die Generalaudienz privat empfangen. Dabei soll ihm die Ehrenbürgerurkunde übergeben werden. Der Stadtrat hatte im Dezember beschlossen, Benedikt XVI. die Ehrenbürgerwürde zu verleihen. (kna)
Mit dem Band "Die Bistümer der deutschsprachigen Länder von der Säkularisation bis zur Gegenwart" ist ein vom Kirchenhistoriker Erwin Gatz herausgegebenes historisches Lexikon der Bistümer abgeschlossen. Kardinal Karl Lehmann stellte den Band gestern in Mainz vor. Jedem der 52 Bistümer und bistumsähnlichen Jurisdiktionsbezirken der deutschsprachigen Länder Mitteleuropas ist in dem Band ein eigenes Kapitel gewidmet. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz bezeichnete das Lexikon als ein Werk, für das es derzeit international nichts Vergleichbares gebe. Es stelle die ganze Fülle kirchlicher Lebensvollzüge im Kontext der wirtschaftlichen, weltanschaulichen und kirchenpolitischen Rahmenbedingungen der vergangenen zwei Jahrhunderte dar, so Lehmann. (kna)
Österreich
Die wachsende Kluft zwischen Europa und den USA, aber auch die gemeinsamen christlichen Wurzeln stehen im Mittelpunkt eines hochkarätigen internationalen Symposions, das auf Initiative von Kardinal Christoph Schönborn von 26. bis 29. April in Wien stattfindet. Der Erzbischof von Wien möchte mit diesem Symposion einen besonderen Akzent in der Zeit der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft setzen. Unter den Referenten aus den Vereinigten Staaten sind der jüdische Rechtsphilosoph Joseph Weiler und der katholische Theologe, Publizist und Papstbiograf George Weigel. Offizieller Titel des Symposions ist: "A Growing Gap. Living and Forgotten Christian Roots in Europe and the United States". (kap)
Schweiz
Aus Protest ist die Philosophin und Psychotherapeutin Carola Meier-Seethaler aus der nationalen Ethikkommission ausgetreten. Meier kritisierte die Regelung, dass Forschung an einwilligungsunfähigen Menschen erlaubt sein solle, sofern sie der Wissenschaft diene. Es sei inakzeptabel, dass an Menschen geforscht werde, ohne dass der Patient eine persönliche Einwilligung geben könnte. Schließlich handele es sich dabei nicht um einen Heilversuch. Meier kritisierte die einseitige Tendenz, mit dem neuen Humanforschungsgesetz günstige Rahmenbedingungen für die Forschung zu schaffen, den Schutz der Menschen aber zu vernachlässigen. (kipa)
Russland
Die Papstenzyklika "Deus caritas est" gibt es jetzt auch auf Russisch. Die ersten 3000 Exemplare wurden der katholischen Wochenzeitschrift "Svet Evangelia" beigelegt. Sie waren sofort vergriffen. Die Zeitschrift denkt nun über weitere Auflagen nach. Chefredakteur Victor Khroul zeigte sich erfreut über den Ansturm auf das päpstliche Rundschreiben. Der Papst werde in Russland zum Besteller, sagte er scherzhaft. (ansa)
Niederlande
Christen tolerieren nach Ansicht des niederländischen Kardinals Adrianus Simonis eher als Muslime eine Beleidigung ihrer Religion. "Sie sind in einer Haltung von Barmherzigkeit, Vergebung und Verträglichkeit aufgewachsen. Das ist ganz anders als im Islam", sagte der Bischof von Utrecht nach heutigen Medienberichten. Allerdings spiele bei Katholiken oft auch eine Rolle, dass sie sich von der Kirche entfernt hätten und eher schmunzelnd reagierten, wenn ihr Glaube lächerlich gemacht werde, so der katholische Bischof. (kna)
Afrika
Mosambik
Seit dem Ende des Bürgerkriegs vor 14 Jahren hat sich die Anzahl der Kinder, die eine Schule besuchen, verdoppelt. Diese Zahlen hat das Bildungsministerium heute bekannt gegeben. Trotzdem bleibt noch viel zu tun, um die so genannten Millenniums-Ziele der UN bis 2015 erreichen zu können. Noch haben 1,3 Millionen Kinder keinen Zugang zu öffentlichen Schulen. Die UN- Auflagen fordern den Schulbesuch aller schulpflichtigen Kinder. (misna)
Asien
China
In Hongkong ist gestern ein neuer Bischof geweiht worden. Der 45-jährige Bischof Jospeh Xu Honggen ist der erste chinesische Bischof, der 2006 ernannt wurde. Er soll aber nicht der letzte sein. Der Heilige Stuhl und die chinesische Regierung stimmten der Ordination zu. Sechs Jahre mussten die Gläubigen seiner Diözese auf diesen Schritt warten. Bischof Xu wurde im Beisein von 3.000 Gottesdienstteilnehmern geweiht. (uca-news)
Philippinen
Unter der Leitung des zuständigen Rates der Bischofskonferenz beginnt heute ein Kongress über die Situation der Gefangenen im Land. Kirchliche Institutionen fordern ein menschenwürdigeres Vollzugssystem. Größtes Problem ist die mangelnde Gesundheitsversorgung und die Überfüllung der philippinischen Gefängnisse. In Manila bleiben jedem Gefangenen nur 0,3 Quadratmeter. Laut UN-Menschenrechtsnorm müsste es das Zehnfache sein. (asia-news)
Amerika
Mexiko
Empört und erschüttert hat die Kirche Mexikos auf die Ermordung einer jungen Frau durch einen katholischen Priester reagiert. Ortsbischof Carlos Garfias Merlos sagte, er wolle den geständigen Täter auch kirchenrechtlich belangen. Nach lokalen Zeitungsberichten soll der 42-jährige Pfarrer in einer Gemeinde am Rand von Mexiko-Stadt am Ostersonntag seine offenbar schwangere Geliebte nach einem Streit im Pfarrhaus erwürgt und ihre Leiche anschließend mit einem Messer zerstückelt haben. Der Priester habe bei seiner Festnahme ein Geständnis abgelegt. Mexikanische Frauenrechtlerinnen befürchteten, dass angesichts der weit verbreiteten Gleichgültigkeit gegenüber Sexualdelikten an Frauen der Fall früher oder später zu den Akten gelegt werden könnte. (kna)
Vereinigte Staaten
Boston hat als erstes katholisches Bistum der USA seine Finanzlage detailliert offen gelegt. Man habe die Gemeindemitglieder auf die verheerende finanzielle Lage der Kirche nach Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer aufmerksam machen wollen, sagte Kardinal Sean O'Malley vor Journalisten in Boston. Er bezifferte das Finanzdefizit auf umgerechnet 37 Millionen Euro. Seit dem Beginn der Missbrauchkrise 2002 habe die Erzdiözese mehr als 120 Millionen Euro für Entschädigungen und Prozesskosten gezahlt. (kna)
Venezuela
Der jüngst in den Kardinalsstand erhobene Erzbischof von Caracas, Jorge Urosa Savino, hat Venezuelas Parlamentarier dazu aufgerufen, "um jeden Preis Intoleranz und Unterdrückung aus politischen oder ideologischen Gründen" zu vermeiden. In einem Schreiben rief er die Legislative dazu auf, das Strafgesetz zu reformieren, um schlimme Verbrechen schärfer zu ahnden, ohne jedoch die politische Freiheit einzuschränken. Namentlich bezog er sich auf den Drogenhandel. Zur Rolle der Kirche im Präsidentschaftswahlkampf stellte der Kardinal klar, dass die Bischöfe "weder als Verhandler noch Vermittler" auftreten, aber sehr wohl an einem Dialog zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen interessiert seien. (aci)