Meldungen vom 3.5.2008
- Papst fordert mehr Gerechtigkeit weltweit -
- Bosnien/D: Bischof und Großmufti für Dialog -
- Schweiz: Radio Gloria startet Programm -
Verantwortlich: P. Eberhard v. Gemmingen SJ / Stefan von Kempis
Redaktion: Mario Galgano
Redaktionsschluss 16.00 Uhr
Die folgenden Texte basieren auf unserer
Nachrichtensendung „Treffpunkt Weltkirche“ täglich um 16 Uhr.
THEMEN DES TAGES:
Vatikan: Papst zählt soziale Herausforderungen des 21. Jahrhunderts auf
Papst Benedikt hat eine weltweit bessere Verteilung der Güter, Zugang zu Bildung, nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz gefordert. In einer Rede vor den Teilnehmern der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften meinte er, um aller Herausforderungen Herr zu werden, sollen „alle Menschen guten Willens” die Pfeiler der katholischen Soziallehre beachten. Diese seien Menschenwürde, Gemeinwohl, und Solidarität. Dazu erläuterte der Papst: „Diese Schlüsselelemente sind durch den lebendigen Kontakt zwischen dem Evangelium und den konkreten sozialen Gegebenheiten entstanden. Sie zeigen uns die grundlegenden Fundamente, um die Herausforderungen und Schwierigkeiten zu erkennen, die uns zu Beginn des 21. Jahrhunderts bevorstehen.”
Die Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften dauert bis zum 6. Mai und steht unter dem Motto: „Dem Gemeinwohl folgen: Wie Solidarität und Subsidiarität gemeinsam wirken können.” Der Papst sieht darin auch die Hauptaufgabe der Päpstlichen Akademie: „Das ist nämlich das Herzstück eurer Aufgabe als Sozialwissenschaftler. Die Menschheit braucht eine Entwicklung, die die Menschenwürde beachtet. Sie zählt zu den unumstößlichen Wahrheiten eines jeden Menschen, der das Ebenbild Gottes ist und durch Christus gerettet wurde.”
Die Christen hätten die Aufgabe, sich im Namen des Evangeliums für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen, so der Papst.
„Wenn wir die Prinzipien der Solidarität und der Subsidiarität, also die Eigenverantwortung, anschauen, so muss man betonen, dass eine Gesellschaft die Menschen besonders vor Unzufriedenheit und Pessimismus befreien muss. Das bedeutet Solidarität und Subsidiarität. Eine wahrhaft freie Gesellschaft muss ihre Leute im wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bereich vollumfänglich unterstützen.” (rv)
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Bosnien/Deutschland: Bischof und Großmufti rufen zum Dialog auf
Der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und der Großmufti von Bosnien-Herzegowina, Mustafa Ceric, haben gemeinsam zum engagierteren Gespräch der Religionen aufgerufen. Heute müsse es zwischen den Religionen um „Identität im Dialog” gehen, sagte Tebartz-van Elst am Freitag bei einem Treffen mit dem muslimischen Geistlichen in Sarajevo.
„Ein Anliegen, das mir im Gespräch mit dem Großmufti aber auch innerhalb der Begegnungen hier in der katholischen Kirche immer wieder nahe gebracht wurde, ist, dass Bosnien näher an Europa heranrücken muss. Das bedeutet konkret, dass auch von Europa aus viel deutlicher als bisher ein Signal in Richtung Bosnien ausgehen muss. Das ist ein wesentlicher Punkt für die Zukunft dieses Landes. Das ist mit einem ganz konkreten Engagement verbunden.”
Gemeinsam mit dem bosnischen Kardinal Vinko Puljic traf Tebartz-van Elst den international angesehenen Islamvertreter Ceric während eines dreitägigen Besuchs im Erzbistum Sarajevo, zu dem das Bistum Limburg seit 15 Jahren eine Partnerschaft unterhält.
„Es begann damals während des Krieges, und aus der ersten Phase der konkreten Hilfe mit materieller Unterstützung ist inzwischen eine Partnerschaft gewachsen. Mir lag daran direkt, nach meiner Einführung am 20. Januar – zu der auch Kardinal Vinko Puljic zugegen war – klar zum Ausdruck zu bringen, dass mein erster Auslandsbesuch nach Sarajevo führen sollte. Damit möchte ich klarstellen, wie wichtig mir diese Partnerschaft ist.”
Bosnien-Herzegowina wurde in den 90er Jahren von drei blutigen Kriegen zwischen serbischen, kroatischen und bosnisch-muslimischen Einheiten verwüstet.
„Man sieht in der Stadt deutlich Spuren des Krieges und man hört viel darüber in den Gesprächen mit den Leuten. Die Situation der Katholiken in Bosnien ist nicht einfach. Sie sind von 80.000 vor dem Krieg auf 20.000 zurückgegangen. Das macht schon rein zahlenmäßig deutlich, welche Veränderung sich hier auch im kirchlichen Leben ergeben hat. Mich beeindruckten sehr die Menschen hier, die nach wie vor in Treue in ihren Gemeinden den kirchlichen Dienst annehmen. Im Bistum haben wir die Perspektive, die Partnerschaft weiter auszubauen und sie auf viele Beine zu stellen. Pfarrgemeinden sollen immer mehr einbezogen werden.” (rv/kna/pm)
Schweiz: Katholisches Privatradio startet
Der katholische Schweizer Privatsender „Radio Gloria“ startet am 13. Mai ein Vollprogramm, das über Satellit und Internet sowie in der Schweiz auch im Kabel zu empfangen ist. Das teilte der neue Radiosender mit. Unterstützt werden die Schweizer Radiomacher durch das Hilfswerk „Kirche in Not” mit zugelieferten Programmen. Auch die Sendungen und Direktübertragungen von Radio Vatikan sollen im Programm stehen. Damit soll erstmals ein schweizweites katholisches Radio in Betrieb genommen werden. Programmchef des katholischen Senders ist der Priester Martin Rohrer. Gegenüber Radio Vatikan erklärt er die Hauptaufgaben des neuen Radios.
„Radio Gloria will eigentlich die verschiedensten Bereiche des Glaubens, aber auch des Lebens im Glauben abdecken. Dazu zählen vor allem die Liturgie, aber auch das Gebet und die Spiritualität. Wir bringen die Glaubensverkündigung und Lebenshilfe durch den Äther. Bei Radio Gloria wird es aber auch Musik zu hören geben. So hoffen wir, dass wir möglichst verschiedene Menschen damit ansprechen können.”
Informationen zum Programm unter www.radiogloria.ch (rv)
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Simbabwe: Keine Beruhigung nach Ankündigung von Stichwahl
Wer Simbabwes nächster Präsident wird, das soll eine Stichwahl entscheiden – doch diese Ankündigung hat heftige Kritik der Opposition, der internationalen Politik und auch der katholischen Kirche des Landes hervorgerufen. Laut Wahlgesetz muss die Stichwahl zwischen Morgan Tsvangirai und Amtsinhaber Robert Mugabe innerhalb von drei Wochen stattfinden. Den genauen Termin will die Wahlkommission in den nächsten Tagen festlegen. Derweil flüchten zahlreiche Bewohner des Landes nach Südafrika. Das bestätigt auch Pater Chris Townsend, Pressesprecher der Bischofskonferenzen für das südliche Afrika, gegenüber Radio Vatikan.
„Wir sind im Augenblick sehr damit beschäftigt, die Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. Wir stellen aber fest, dass vor allem zahlreiche Minderjährige aus Simbabwe nach Südafrika flüchten. Die Zahl der Kinder, die das Land verlassen, ist in den vergangenen drei Wochen rasant gestiegen. Daher sind nun die meisten Kinderhilfswerke in den nördlichen Regionen von Südafrika stationiert. Jeden Tag versorgen sie Hunderte von Flüchtlingskindern. Die Zahl der Flüchtlinge hat sich, verglichen mit der Zeit vor der Krise, insgesamt verdoppelt.”
Dem Pressesprecher der Bischofskonferenz ist noch ein weiteres Merkmal aufgefallen.
„Was uns sehr erstaunt hat, ist die Tatsache, dass die meisten Flüchtlinge nicht wegen Armut nach Südafrika flüchten. Die meisten fliehen aus Angst vor Gewalt und Verfolgung. Was die Kinder und Jugendliche betrifft, so ist zu sagen, dass sie hierher kommen, weil sie als „politische Sündenböcke” verfolgt werden. Obwohl sie gar nicht wählen durften, werden sie von Regierungstruppen geschlagen, weil Mugabe ihnen vorwirft, sie hätten den politischen Aufstand provoziert.”
Die Wahlkommission in Harare hat nun offiziell festgelegt, es müsse eine Stichwahl geben, da keiner der Kandidaten im ersten Durchgang am 29. März die absolute Mehrheit erzielt habe. Dem amtlichen Ergebnis zufolge lag Tsvangirai im ersten Durchgang mit 47,9 Prozent der Stimmen rund vier Prozentpunkte vor Mugabe. (rv/afp)
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Vatikan: Armenischer Katholikos zu Besuch
Der Patriarch und Katholikos aller Armenier, Karekin II., wird vom 6. bis 11. Mai den Vatikan besuchen. Das bestätigte der vatikanische Pressesaal an diesem Samstag. Karekin hat eine enge Verbindung mit Deutschland: Ende der 70er Jahren studierte er in Bonn und leitete die Armeniergemeinde in Köln. Seit 1999 ist er das Oberhaupt der armenisch-apostolischen Kirche. Karekin II. wird am 6. Mai in Rom ankommen. Am Mittwoch wird er bei den Papstgräbern beten und für einen kurzen Gebetsmoment bei der Statue des Heiligen Gregors des Erleuchters innehalten. Bei der Generalaudienz wird er von Papst Benedikt XVI. empfangen. Karekin erhält dann an der Päpstlichen Universität der Salesianer die Ehrendoktorwürde im Bereich „Jugendseelsorge”. Außerdem nimmt er an mehreren Konferenzen in Rom teilnehmen. Am Freitag wird ihn Papst Benedikt zu einer Privataudienz empfangen. Auch ein gemeinsamer Wortgottesdienst der beiden ist vorgesehen. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sind die Beziehungen zwischen der armenisch-apostolischen und der katholischen Kirche intensiver geworden. Karekin hatte Johannes Paul II. mehrmals getroffen und sich positiv über die ökumenischen Gespräche geäußert. Karekin II. ist der 132. Katholikos der armenisch-apostolischen Kirche. Ein weiterer armenisch-apostolischer Katholikos leitet das Katholikat von Kilikien. Die Armenische Apostolische Orthodoxe Kirche ist eine altorientalische Kirche mit heute sechzehn Millionen Gläubigen in zwei Katholikaten in Etschmiadsin und Sis, zwei Patriarchaten in Jerusalem und Konstantinopel sowie rund 30 Diözesen, davon neun in Armenien. (rv)
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DIE NACHRICHTEN:
Vatikan
Vatikan/Deutschland
Für die gemeinsame Erklärung von Vatikan und führenden muslimischen Vertretern des Iran gab es in Deutschland viel Lob. Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Bambergs Erzbischof Ludwig Schick, bezeichnete die Erklärung als „einen großen Fortschritt für den interreligiösen Dialog”. Nun müsse die Vorstellung eines nicht gewalttätigen Glaubens in die Köpfe und Herzen aller Religionsführer gelangen. Schick warnte jedoch vor allzu großen Erwartungen, da der Dialog nur mit einer Gruppe von Muslimen stattgefunden habe. Die islamische Welt sei tatsächlich viel größer und vielfältiger. Der Vatikan und führende Theologen aus dem Iran hatten sich am Mittwoch in Rom auf eine Erklärung zum Thema „Glaube und Vernunft im Christentum und im Islam” geeinigt. Sie betonten dabei, dass Religion „in sich gewaltlos” sei. Weder Vernunft noch Glaube dürften Gewalt rechtfertigen. Die Gespräche sollen in den kommenden zwei Jahren vertieft werden. (kna)
Europa
Deutschland
Das Landeskriminalamt in Düsseldorf hat ein Phantombild des Apostels Paulus von Tarsus erstellt – nicht zu Fahndungszwecken, sondern auf Bitte eines Buchautors. Das fiktive Porträt stellt den Apostel so dar, wie er historischen Quellen zufolge ausgesehen haben könnte. Vorlagen waren laut Polizei Zeichnungen, Beschreibungen und bildliche Darstellungen des Apostels. Die Polizeiexperten fertigten das Bild auf Anfrage des Autors Michael Hesemann für dessen jüngstes Buch über den Apostel. Schon 2003 hatte das Amt für den Autor ein Phantombild des Apostels Petrus erstellt. (ap/reuters)
In Israel ereignet sich eine historische Annäherung zwischen Juden und Christen. Das beobachtet der Direktor der Internationalen Christlichen Gemeinschaft in Jerusalem, Jürgen Bühler. Die israelische Gesellschaft erkenne zunehmend, dass insbesondere die evangelikale Bewegung zu den treuesten Freunden des Judenstaates gehöre, sagte Bühler bei der 12. Sächsischen Israelkonferenz in Pirna. Nach außen zeige sich dies unter anderem, durch den vor vier Jahren vom Parlament geschaffenen Ausschuss für christliche Angelegenheiten. Zudem würde die Internet-Ausgabe von Israels größter Tageszeitung zur Hälfte von Christen gelesen, für die es seit zwei Jahren sogar eine eigene christliche Monatsausgabe gebe. (idea)
Schweiz
Ein ehemaliger Schweizergardist hat über seine Zeit bei der Päpstlichen Leibgarde einen Song komponiert. „All are heroes” („Alle sind Helden”) heißt das Werk von Silvan Paganini. „Mit den Helden meine ich die ersten Gardisten, die sich aus der Urschweiz auf den Weg ins unbekannte Rom gemacht haben. Diese Männer waren sehr mutig”, sagte der 24-Jährige dem Mediendienst „kath.ch”. Die erste Komposition des Ostschweizers, der von 2005 bis 2007 in Rom diente, entstand zufällig. Ein befreundeter Musiker suchte nach einem passenden Liedtext, eine Idee dazu hatte der Soldat dann während eines Nachtdienstes gehabt. Bei den Kameraden im Vatikan stieß der fertige Pop-Song dann auf ein positives Echo, erinnert sich Paganini. Auch Nicht-Gardisten könnten den Song hören: Er ist auf dem Album „From one hand” des St. Gallener Sängers Dan veröffentlicht worden. (kath.ch)
Italien
Wegen des Partisanenlieds „Bella ciao” ist ein italienischer Weltkriegsveteran ohne kirchlichen Segen beigesetzt worden. Der katholische Pfarrer im norditalienischen Pordenone verbot das Singen des populären Liedes bei der Trauerfeier in der Kirche, berichtet die italienische Online-Zeitung „Quotidiano.net”. Dies habe die Familie des im Alter von 80 Jahren verstorbenen Egidio Cozzi jedoch gewünscht, weil dieser zeitlebens auf seinen Widerstandskampf gegen die Faschisten stolz gewesen sei. Der Verstorbene wurde dann im Rahmen einer zivilen Zeremonie bestattet - mit Musikkapelle und „Bella ciao”. (kna)
Türkei
Der türkische Papst-Attentäter Mehmet Ali Agca will polnischer Staatsbürger werden und im Heimatland von Papst Johannes Paul II. leben. Außerdem habe Agca, der derzeit noch wegen Mordes an einem Journalisten in einem türkischen Gefängnis sitzt, den Antrag gestellt, den Reist seiner Strafe in Polen zu verbüßen, sagte sein Anwalt der Nachrichtenagentur AP. Das Schreiben sei am Donnerstag bei der polnischen Botschaft in Ankara eingereicht worden. „Ich bin kein Fremder in Ihrem Land, denn der Nationalheld Polens, Papst Karol Wojtyla, ist mein spiritueller Bruder”, schrieb der Türke zur Begründung an den polnischen Präsidenten. – Agca schoss 1981 auf den polnischen Papst und verletzte ihn schwer. Dafür war er 19 Jahre lang in Italien inhaftiert gewesen. Papst Johannes Paul II. verzieh ihm zwar seine Tat, erholte sich aber nie mehr ganz von den Spätfolgen des Attentates. (ap)
Amerika
Guatemala
Nach den Morddrohungen gegen seine Person hat Bischof Alvaro Ramazzini Imeri für die internationale Solidarität gedankt. Er habe durch Protestaktionen, Briefe, Schreiben an die Regierung sowie durch die öffentliche Bekanntmachung der Situation viel Unterstützung erhalten, sagte der Vorsitzender der Guatemaltekischen Bischofskonferenz in einem Interview der KNA. Ramazzini ist ein engagierter Streiter für die Menschenrechte in seinem Land und wendet sich immer wieder gegen Drogenkriminalität, Gewalt, Ausbeutung und Umweltzerstörung. Die Urherber der jüngsten Morddrohungen vermutet er im Milieu der Drogenmafia, weil er die Zunahme von Entführungen und Erpressungen angeprangert hatte. Im Interview wandte sich der Bischof von San Marcos auch gegen die Bergbauprojekte ausländischer Firmen: Diese seien nicht im Interesse Guatemalas und der armen Bevölkerung. Zudem würde der Einsatz von Zyanid im Bergbau den Boden und das Wasser vergiften. Das sei reine Ausbeutung. „Die ausländischen Firmen schöpfen 90 Prozent der Gewinne für sich ab”, so der Bischof. (kna)
Die Quellen unserer Nachrichtensendung
sind u.a. die Agenturen Kna, Kathpress,
Ansa, Efe,
Afp, Kipa,
Reuters, Ap,
ADN-Kronos, Upi,
Cns, Uca,
Misna, Osservatore
Romano – die Vatikanzeitung in deutscher Sprache, sowie
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Buchbesprechung:
Titel: Sophie von La Roche
Autor: Arnim Strohmeyer
Verlag: Reclam 2006
Preis: 19.90 €
Rezensentin: Sr. Hilliganda Rensing
Sophie von La Roche, Lebensbild einer Frau des 17. Jahrhunderts.
Wer war diese Frau, dass ein Autor unseres Jahrtausends sich mit ihr befasst? Arnim Strohmeyer charakterisiert sie wie folgt: Mit dem jungen Wieland verband sie eine rokokohafte Liebelei, von Goethe erhielt sie den Ritterschlag der Klassik, ihren romantischen Enkeln Bettine und Clemens Brentano sollte sie eine wohlmeinende Großmutter werden; zu ihrer Zeit war sie eine gefeierte Autorin des Romans „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“. Unglückliche Liebe steht am Anfang der Lebensgeschichte der Frau von La Roche. Heiraten darf sie nur jemanden, der eine gute Ausbildung und vor allem eine gesellschaftliche Position mitbringt. Nach der sozusagen verordneten Heirat folgen die Mainzer Jahre, in denen sie richtig Hofluft atmet. Hier stößt sie auf sensationell Neues, nämlich die Ideen der frz. Aufklärung: Sapere aude, wage es, deinen eigenen Verstand zu gebrauchen. Das fasziniert sie. Sie will die Menschen durch Erziehung, vor allem durch eine moralische voranbringen, sie aber auf keinen Fall zu irgendeiner Art von Freigeisterei verleiten.
1771 stürzt die Familie ins gesellschaftliche Nichts, aber für Frau von La Roche tut sich ein neues Tor auf: Sie schreibt den zweibändigen Roman: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Durch Wieland gibt sie ihn anonym heraus, weil die Gattung Roman als anrüchig gilt und eine Frau ohnehin nicht schriftstellerisch in Erscheinung treten darf. Das zeitgenössische Publikum verschlingt den Roman; die Handlung war spannend erzählt, inhaltlich bediente er die geistigen Bedürfnisse der Zeit, nämlich :Erziehung des Menschengeschlechtes, Selbstfindung der Frau, Verbindung von aufgeklärtem Wissensdrang und frommer Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung, von Ratio und Seele, alles abgemildert im Lichte einer Bewegung, die sich selbst als Empfindsamkeit deklarierte ( S. 154). Objektiv besteht Sophies individueller Beitrag zur Literatur und zur weiblichen Emanzipationsgeschichte darin, dass sie als erste die Romanfiguren psychologisch profiliertund deren Sprache emotional aufgeladen hat. Ihr Roman bleibt ein kultursoziologisches Phänomen, als solcher auch 200 Jahre nach dem Toddieser Bestsellerautorin noch unbedingt lesenswert.

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