Raffael
- die Stanzen
Die Stanzen, eigentlich müsste man sie mit Zimmer übersetzen,
liegen über den Appartamenti Borgia und wurden 1508 unter Julius
II. neu ausgestattet. Als Räumlichkeiten waren sie bereits
unter Nikolaus V. (1447-1455) entstanden. Die alten Fresken wurden
entfernt, um eine einheitliche Neugestaltung und ein eigenes Bildprogramm
zu ermöglichen. Julius II. hatte dafür den erst 25jährigen
Raffael nach Rom berufen. Nacheinander malte der die folgenden Räume
aus: die Stanza della Segnatura (1508 - 1511), die Stanza d'Eliodoro
(1512 - 1514), die Stanza dell'incendio del Borgo (1514 - 1517)
und den Konstantinssaal, der erst nach dem frühen Tod Raffaels
fertiggestellt wurde (1519 - 1524).
Normalerweise beginnt der Rundgang durch die Stanzen mit dem Konstantinssaal.
Von Raffael stammt hier lediglich der Entwurf der Konstantinsschlacht
und die Gliederung der Wand. Die Bilder wurden von seinen Schülern,
darunter vor allem Giulio Romano, ausgeführt. Dargestellt ist
der Sieg Konstantins gegen Maxentius. Vor der Schlacht hat Konstantin
eine Kreuzesvision mit der Zusage, dass er in diesem Zeichen siegen
werde. Von nun an trägt der Kaiser das Christussymbol auf seinen
Feldzeichen. Bei der Schlacht an der Milvischen Brücke, dem
nächsten Bild, versinkt Maxentius förmlich im Tiber. Eine
Darstellung, die als Assoziation zum Untergang von Pharaos Heer
in den Fluten des Roten Meeres gemeint ist. Dann sehen wir die Taufe
Konstantins durch Papst Silvester, die berühmte Konstantinslegende,
wenngleich die historischen Fakten sich anders darstellen. Demnach
ließ Konstantin sich erst auf dem Sterbebett taufen, nach
dem Tod Papst Silvesters. Als Fälschung entpuppte sich auch
die so genannte Konstantinische Schenkung, das Motiv des nächsten
Bildes. Konstantin wird hier dargestellt, wie er nach seiner Taufe
dem Papst die kaiserlichen Insignien, den Lateranspalast und die
Herrschaft über Rom und Italien übergibt. Tatsächlich
enstand der Kirchenstaat langsam aus den sich vergrößernden
Besitztümern der katholischen Kirche.
In der Stanza d'Eliodoro wird die Vertreibung Heliodors aus dem
Tempel von Jerusalem dargestellt (2 Makkabäer 3). Heliodor
hatte demnach auf Anstiftung des Syrerkönigs Seleukos versucht,
den Tempelschatz zu stehlen, war von den himmlischen Mächten
aber daran gehindert worden. Interessant ist, dass Julius II. als
Betrachter in die Szene hereingetragen wird. Damit soll dem Betrachter
vermittelt werden, dass es Feinden der Kirche auch in der Gegenwart
nicht besser ergehen wird als Heliodor. Das nächste Bild stellt
das Blutwunder von Bolsena dar. Im 13. Jahrhundert war ein böhmischer
Priester auf der Reise nach Rom. In Bolsena zweifelte er an der
wahren Gegenwart Christi in der Eucharistie. Darauf begann die Hostie
zu bluten. Daneben die Begegnung zwischen Papst Leo dem Großen
und dem Hunnenkönig Attila. Leo hält die Hunnen vom weiteren
Vordringen nach Italien ab und erweist sich damit als Schutzmacht,
die stärker ist als das versagende Kaisertum. Über dem
Geschehen schweben die Apostel Petrus und Paulus und erweisen sich,
über dem Papst stehend, als eigentliche Schutzpatrone. Das
letzte Bild in diesem Raum stellt, nach Apg 12, 5-7, die Befreiung
des Petrus aus dem Gefängnis dar. Ein Engel befreit Petrus
von seinen Ketten und führt ihn an den schlafenden Wächtern
vorbei aus dem Kerker heraus.
In der Stanza della Segnatura spiegeln die Darstellungen den Geist
des christlichen Humanismus in seiner vollendeten Form. Gegenüber
dem Eingang ist die so genannte "Disputa del Sacramento"
zu sehen, die Anbetung der Monstranz in der unteren Hälfte
und die Verehrung Christi durch die Heiligen in der oberen Hälfte.
Es geht also um die irdische und die himmlische Verehrung Gottes
im Altarsakrament. Die "Schule von Athen" auf der anderen
Seite hingegen vereint die bedeutendsten Philosophen der Antike.
Sie treffen sich in einer Architektur, die stark an den noch nicht
vollendeten Bau von St. Peter erinnert. Der Himmel im Hintergrund
ist einfach nur blau und mit Wolken bestückt, hier tummeln
sich weder Engel noch Heilige. Die Aussage dieses Bildes ist in
etwa, dass die Tradition der Philosophie für das denkerische
Durchdringen der Glaubenslehre zwar von großer Bedeutung ist,
dass die Philosophie allerdings nicht vermag, die von der Offenbarung
getragene Theologie zu durchschauen.
In der Stanza dell'incendio del Borgo hat Raffael nur wenig selbst
gemalt. Dargestellt ist der Brand des Stadtviertels rund um St.
Peter im Jahr 847 und die wunderbare Löschung des Feuers durch
Papst Leo IV., der dem Brand das Kreuz entgegensetzt. Eine Begebenheit,
die in einer frühmittellalterlichen Papstchronik überliefert
wird. Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Räumen wird hier
also nicht das Wirken Gottes in den Vordergrund gestellt, sondern
das Wirken des Papstes als seines Stellvertreters auf Erden. Raffael
hat hier die damals noch intakte konstantinische Basilika wiedergegeben,
die ihm von alten Plänen in etwa bekannt war. Auf dem linken
Fresko sieht man Leo IV., wie er in der Schlacht bei Ostia gegen
die Sarazenen siegt. Der Papst sitzt auf dem Thron und streckt Kopf
und Hände dem Himmel entgegen, als Zeichen der Verbundenheit
mit Gott. Auf allen Bildern trägt Leo IV. die Züge Leos
X., der wie sein Namensvorgänger die Küsten des Kirchenstaates
sichern musste. Gegenüber ist die Krönung Karls des Großen
an Weihnachten 800 in der Peterskirche dargestellt.
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